Porträt von Giordano Bruno
Giordano Bruno
Livre du recteur-1578

Giordano Bruno

Lateinische Werke

Übersetzt von Erika Rojas

Das unermessliche Universum und die zahllosen Welten

(De Immenso et Innumerabilibus seu de Universo et Mundis)

Buchtitel: Das unvermessliche Universum und die zahllosen Welten
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Giordano Bruno war kein Wissenschaftler, sondern Naturphilosoph und Mystiker. Die Unendlichkeit des Universums war für ihn eine spirituelle Erfahrung.

1. Buch, VI. Kapitel (Textausschnitt):

Begreife deshalb, dass das Unendliche
nicht zu diesen Ordnungen gehört,
denn es ist kein „Wieviel“,
noch gibt es in seiner Ordnung ein Ende des „Wieviel“,
durch das wir eigentlich physisch zu forschen pflegen.
Gott ist in seinem Wesen auch innerhalb des Ganzen,
er ist innen und außen auf gleiche Weise,
denn er kann kein Ort sein noch an einem Ort.
In seiner unermesslichen Erhabenheit
ist er deshalb zu verehren
und teilt sich uns doch in seinem körperlichen Abbild mit.
Inmitten von Reigen spiritueller Wesen
und zahlloser göttlicher Welten, die der Heilige Geist
seine Diener aus Flammen und Fluten nennt,
erhellen die Gestirne in ewiger Harmonie
die zahllosen Bereiche des unermesslichen Tempels,
denn ein so großer Fürst
muss eine ebenso große Kurie haben.
Zu Gott kann keine Grenze der Zahlen gehören,
und ich glaube, es gibt so viele göttliche Wesen wie Welten,
die man wegen ihrer heiligen Gestalt
Vögel des Himmels und erhabene Jupiter nennt.
Es kann keine bestimmte Zahl für sie geben.
Wie es deshalb nicht gut wäre,
wenn dieser Raum nicht erfüllt wäre
und es diese erhabene Größe nicht gäbe,
so wäre es auch schlecht, wenn das Ganze
nicht ebenso prächtig wäre.
Denn überall ist die Natur des Raumes gleich,
ist derselbe Wille des Bewirkenden
und die sichtbare Form und Schöpfung.

1. Buch, X. Kapitel (Textausschnitt):

Schau deshalb auf zu den Planeten in ihren großen Bahnen,
die in so wunderbarer Ordnung um unsere Sonne kreisen,
und dann weiter zu den anderen Sonnen
mit ihrer sie umkreisenden Planetenschar,
die ganz ähnlich ohne Ende im Unermesslichen erscheinen,
dem nur der Blick ein Ende setzt und Grenzen!
Die Distanz der Sterne verringert ihre Größe,
bis ganz fern am Horizont sie nicht mehr sichtbar sind.
Form und Materie sind überall auf gleiche Weise,
und so fordern das Unendliche Sinn und Verstand.
Der Raum erstreckt sich überall in gleicher Schönheit,
und immer bleibt die Potenz der Welt sich gleich.
Nie endet die Kraft der Materie zu empfangen,
denn unaufhörlich erfüllt sie überall den Raum,
und Gott ist stets als Schöpfer gegenwärtig.
Nichts kann jemals diese Ursachen und Elemente,
kann je diese Prinzipien zerstören oder mindern.
Kein Raum darf deshalb unausgefüllt heißen,
denn überall kann eine Welt erschaffen werden,
und in jedem Raum ist materielle Kraft.
Gut ist das Sein, das Nicht-Sein schlecht,
das Gute und der Vater sind stets gegenwärtig,
und fruchtbar ist die Mutter, die von allen Seiten
die Samen des Seins empfangen und verströmen kann,
geschwängert aus der nie versiegenden Quelle ihres Gatten.
Wenn deshalb die Welt eine bestimmte Größe hätte,
die wir mit unseren Zahlen messen könnten,
dann wäre dies,
als ob wir die Schöpfung als Geschenk in seinem Namen
vor einen Richter rufen wollten.

Giordano Bruno besaß kein Fernrohr wie Galileo Galilei, aber er war Magier und nutzte Vorstellungskraft, Phantasie und Emotionen, um die Welt zu begreifen. Er nannte die emotionale Begeisterung für die Erkenntnis der Wahrheit „heroische Leidenschaft“. So beschrieb er Reisen zur Venus, zur Sonne und zum Mond.

Anblick der Erde in großer Entfernung
Die Reise in den Himmel und
das wahre Bild der Welt.
Zuerst wird das Aussehen
der Erde vom Mond aus
betrachtet.
4. Buch, III. Kapitel (Textausschnitt):

Komm, schwing dich empor und flieg mit mir zum Mond!
Sinn und Verstand sollen unsere Flügel sein. Nur zu,
denn diese Führer bringen sicher dich zu jedem Ort.
Nicht des Dädalus in Wachs gegossene Federn
tragen dich nach oben. Du brauchst nicht den Fall
des Ikarus zu fürchten, nicht das törichte Gerede
des Menippos und auch nicht die Albernheiten
eines Lucius oder den Spott aus Samosata.
Denn der Wahrheit Anblick heilt den Kranken,
und gesund wird, wer die Ordnung der Natur erkennt.
Dann zeige ich dir hier – wenn in dir Geist ist,
und wenn dir nicht durch ein beklagenswertes Schicksal
das Licht des inneren Sinnes gänzlich fehlt –
dann zeige ich dir die schimmernde Gestalt der Erde,
und du siehst dir gegenüber die Sonnenstrahlen
auf den Meeresflächen glänzen.
Sieh nur, nun scheint es, als ob
die riesige Erde immer kleiner würde.
Sag mir: Wo siehst du Wälder?
Wo sind die Berge, Flüsse, Sümpfe, Seen, Städte?
Kannst du Sommer oder Winter unterscheiden?
Du siehst nur mehr hell und dunkel?
Du siehst die Inseln ringsumher im hellen Ozean
als schwarze Flecken? Du wirst keine Geraden sehen
oder Kurven nach den Regeln der exakten Geometrie,
doch du kannst sehen, wie sie sich überall verbinden.
Nun glaubst du schon, du siehst nicht mehr die Erde,
sondern eher scheint‘s der Mond zu sein.
Schau dich nun um!
Ist für dich der Mond jetzt noch so klein, wie er einst war?
Wird er nicht immer größer, so dass seine Gestalt
schon fast den ganzen Horizont bedeckt?
Siehst du noch sein nächtlich Leuchten?
Schau nur, auf völlig ähnliche Weise gibt es hier Wälder,
Meere, Flüsse, Berge, und um sie mit Leben zu erfüllen,
entstanden auch dort die verschiedenen Arten
der Menschen, Schlangen, Tiere, Vögel, Fische.

Giordano Bruno schrieb, alle Sterne, Welten und Planeten seien frei im Weltall schwebende göttliche Lebewesen, die sich gegenseitig befruchten.

5. Buch, XII. Kapitel (Textausschnitt):

Eine Welt ist ein erhabenes, heiliges
und verehrungswürdiges Lebewesen,
dessen belebende Kraft auch alles auf ihre Lebende beseelt.
Sie ist mit vortrefflichen Gliedern gebildet und glücklich.
Edel sind sicher ihr Geist, ihr Schicksal und Ziel.
Nicht ohne Grund wurde die Erde von den Weisen
früherer Zeiten zu den Göttern gezählt
und sie sagten, sie bewohne als Lucina,
Ceres oder Rhea die Gefilde des Himmels.
Und doch ist sie ein Stern unter Sternen,
der mit seinen Geschwistern nur durch das Licht der Sonne erglänzt.


6. Buch, V. Kapitel (Textausschnitt):

Auch Liber und die nährende Ceres,
Sonne und Erde, sind sich auf diese Weise nahe,
und verbinden sich verborgen vor unseren Augen
in wundervoller Umarmung.
Während die Göttin sich im Strahlengespinst des Gottes dreht,
kreist sie unaufhörlich um sein erhabenes Licht,
um am ganzen Körper seine ganzen Kräfte genießen zu können.
Das Wehen der Luft überbringt und mäßigt
die golden glänzenden Pfeile,
so dass sie schräg zu all ihren Teilen gelangen
und in die Tiefe ihres mütterlichen Leibes dringen.
Dies ist der zeugende Same des Gottes
und der vorzügliche Ursprung der Kinder der Erde,
von denen es so viele Arten gibt.
Während seine Strahlen die fruchtbaren Schenkel
der Mutter bedecken,
benetzt ihre Feuchtigkeit die Bereiche hoch oben,
so dass sie gleichsam zum Gebiet des Vaters gelangt.
Doch bevor die Feuchtigkeit ihren Schoß verlässt,
wird sie von ihr wieder eingesaugt und füllt
ihren mütterlichen Leib mit reichlichem Samen.

Giordano Bruno beschrieb alle Fixsterne als Sonnen, die von Planeten umkreist werden, und er sagte, alle Welten sind bewohnt.

7. Buch, XVIII. Kapitel (Textausschnitt)

Überall wirkt dieselbe Natur mit denselben Kräften,
doch da die Voraussetzungen verschieden sind,
kommt aus ihnen Verschiedenes hervor.
Im Einklang mit der Trennung der Räume
teilt deshalb die Natur den Regionen die Orte zu,
und überall ist Materie zur Stelle und die bewirkende Macht,
denn kein neues Sein entsteht ohne dieser beiden zeugende Kraft
Du siehst, dass hier alles Geschaffene gewahrt bleibt,
und verneinst doch töricht, dass ebenso Weiteres existiert,
dass die anderen Welten um nichts kleiner sind,
dass dieselbe Gestalt, Bewegung,
Entstehung und Ordnung zu ihnen gehört,
dass dieselbe Gunst sie erhellt und ihre Natur wahrt,
dass nicht nur auf unserer Welt Bewohner leben,
als ob anderen Welten ihre Gestalt vergeblich gegeben sei,
und dass es zumindest so viele riesige Welten gibt
wie von dieser schönen Welt Sterne am Himmel
gezählt werden können.

1. Buch, III. Kapitel (Textausschnitt)

Wie hier die Erde, der Mond, der geflügelte Merkur,
Saturn, Venus, Mars und Jupiter um die Sonne kreisen,
und – ich verrate – noch mehr an der Zahl,
doch die anderen sind nur manchmal oder niemals zu sehen,
so geschieht es auch um jede andere Sonne,
denn nach dem Gesetz der Natur muss die Flamme
ihre Linderung aus den Fluten erhalten.
Wie hier will der Größte, dass rund um ihn viele Kleinere kreisen,
um die fördernden Kräfte hin- und zurückzusenden,
wobei die richtige Entfernung den Frieden bringt,
denn ihr Leben und auch ihre Nahrung,
kommen aus Gegensätzen hervor, so dass sie
von ferne in harmonischem Abstand zusammenwirken,
und die sanfte Bewegung ist mäßigend für ihre Glut.
So kreisen viele Nymphen
um jeden singenden, spielenden Phöbus
und strömen zum Tanz herbei,
was mit lebhaftem Sinn und klarem Verstand wir sehen können,
denn ein Gesetz verbindet das Nahe und Ferne.
Die Ordnung der ersten Prinzipien ändert sich nicht,
auch wenn sie nicht immer zum selben Bild sich vereinen.
So macht sich nicht auf, die läuternde Wirkung
mit Übermut frevelhaft zu entweihen,
wer den Sinnen zeigen will, was sie nie sahen,
denn sie lassen uns nur eine einzige Sonne erkennen,
nur einen einzigen Mond und auch nur eine einzige Erde.
So sollen keine weiteren Planeten kreisen,
weil sie nicht sichtbar sind, und es soll
nur eine einzige Sonne mit größerem Körper geben,
weil unsere schwachen Sinne nur eine einzige sehen.
Durch dieses grobe Denken wird unterdrückt,
dass es unter den Fixsternen nicht nur eine einzige Sonne gibt,
sondern dass wir ebenso viele Sonnen wie Fixsterne sehen,
und dass ihren funkelnden Anblick
das rötliche Gelb des Feuers bewirkt.

Die Fackel der dreißig Statuen

(Lampas triginta statuarum)

Buchtitel: Die Fackel der dreißig Statuen
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Giordano Bruno bezeichnete die Fackel der dreißig Statuen als ein Instrument des Objektivierens von Begriffen, Aspekten, Ideen oder, wie er es nannte, Intentionen, in denen wie in einem Spiegel alles Seiende erforscht, definiert und erkannt werden kann.

Die Formlosen oder Ungestaltbaren
(Die sechs Urkräfte)


Giordano Bruno nennt zuerst die sechs Urkräfte, die vor jeder wahrnehmbaren Gestaltung existieren. Diese sind das Chaos als der unendliche Raum, der Orkus als der begehrende und verzehrende Schlund, in dem alles entsteht und vergeht, und die Nacht als die Materie. Sie ist zweigeteilt in die nicht wahrnehmbare dunkle Materie, die das ganze Universum ausfüllt und in die wahrnehmbare Materie als Grundlage der Natur. Der Geist als das unendliche Licht, durch den aus der Materie alles Seiende entsteht, das erste Bewusstsein als die Quelle aller Ideen und die Spiritualität oder die Weltseele, die alles Seiende gestaltet.

Das erste Ungestaltbare oder das Chaos
(Der unendliche Raum)

(Textausschnitt)

VII. Außerhalb des Chaos gibt es nichts, und kann nichts gedacht werden, denn jeder Raum, jeder Körper, jedes Ausgedehnte und folglich jede Dimension, die eine Begrenzung annimmt, übernimmt diese als Einzelnes durch das Einzelne, als Teil durch den Teil. Das Ganze aber und das Absolute kann man sich nicht einmal vorstellen. Deshalb ist es richtig zu sagen, dass es außerhalb des Chaos nichts gibt.

XXV. Es wird definiert als dasjenige, in dem alles ist, da es dem unendlichen Universum gleichgesetzt wird, das in allem ist, da es jeder Zusammensetzung eingeprägt ist und alle Fülle aufnimmt, durch das alles ist, denn ohne Raum gäbe es nichts, oder könnte man sich zumindest kein Sein vorstellen.

XXVIII. Das Chaos, das Vakuum, das Leere, das Volle, der Ort und das Aufnehmende können als identisch bezeichnet werden. Denn es heißt Vakuum wegen seiner Fähigkeit zu ergreifen, Chaos wegen seiner Ungestaltbarkeit, das Leere wegen seiner Unbenennbarkeit und Undefinierbarkeit, das Volle wegen seines tatsächlichen Inhalts, der Ort, weil die Körper sich in ihm abwechseln, das Aufnehmende wegen der Übereinstimmung der Dimensionen des Ergreifenden mit denjenigen des Ergriffenen.


Das zweite Formlose, der Orkus oder der Abgrund


(Textausschnitt)

Wie der Sohn dem Vater folgt der Abgrund oder der Orkus dem Chaos, denn aus dem Leeren und Unbegrenzten folgt eine Hinwendung, ein Mangel oder ein grenzenloses Verlangen, wie es im Sprichwort heißt, dass „der Mangel das Verlangen hervorbringt“. Durch den Namen des Orkus stellen wir uns einen unermesslichen und unendlichen Schlund vor, der dem Leeren dasjenige hinzufügt, das alles zu empfangen, zu begehren und anzuziehen vermag. Der unendlichen Leere folgt somit das unendliche Verlangen.


IV. Durch den Brunnen des Belus ist sein unermessliches Streben zu erkennen. So viel Wasser auch in ihn hineingeschüttet wird, scheint es doch immer wie aus einem durchlöcherten Gefäß wieder herauszufließen und nichts zum Auffüllen des Schlundes beizutragen, noch zu seinem Ausfüllen zu führen.


XIII. Nicht einmal er selbst kann die Empfindung und die Erkenntnis seiner selbst bewahren. Er ist sogar das Urbild und das Gefäß aller Torheit und Vergesslichkeit. Deshalb wird erzählt, dass der Fluss Lethe in ihn münde und aus ihm entspringe.


XXII. Es heißt, vor seiner Tür stünden die Trauer, die Krankheiten und die Rächerinnen der Sorge. Sie bedeuten die Potenz des Orkus oder sein Einfließen sowie seinen Einfluss, die er durch die Fortpflanzung mit seinem Samen seiner Tochter, der Nacht, mitgegeben hat. Aus ihnen werden alle Veränderung und aller Wechsel geboren, die der Keim des Verderbens und des Todes sind. Denn die Veränderung und das Leiden sind Tür und Tor des Todes und des Verderbens. Diesen zur Seite steht der Schlund des Orkus, da ja durch die Abgründigkeit des Orkus, wie gesagt, alles verschlungen und hinweggerissen wird.


XXIII. Die Ketten dort bedeuten die unwiderstehliche Notwendigkeit des Schicksals, durch die alles unauflöslich gebunden und gehalten wird.


XXVIII. Dort haben die Erinnyen oder die Furien ihren Platz, die als schlimme Göttinnen dargestellt werden, weil der Orkus oder der Mangel der Ort und auch die Ursache allen Zorns, Unwillens, Neids und anderes dieser Art ist.


Das dritte Ungestaltbare, die Nacht oder die Finsternis


(Textausschnitt)

Wir betrachten die Nacht als die erstgeborene Tochter des Orkus. Die Urmaterie in Gestalt der Nacht wird in ihrem Bild wiedergegeben. Wie wir nämlich die Eigenart und die Beschaffenheit eines Ortes von dem sich darin Befindenden unterscheiden, ebenso müssen wir die Urmaterie als unveränderliches und fortdauerndes Subjekt von allen Erscheinungsweisen der Natur unterscheiden, da Verschiedenes in einer gewissen Reihenfolge in derselben sinnlich nicht wahrnehmbaren Materie aufeinanderfolgt.


III. Wir können sie nicht wahrnehmen, wie wir den Schatten nicht wahrnehmen, es sei denn als unterschiedlich zum Licht, während das Licht durch sich selbst wahrnehmbar ist. Die Nacht oder die Materie erreicht deshalb nicht die Wahrnehmung, außer durch die Aufeinanderfolge der Formen in ihr, die Töchter des Lichts sind.


VII. Aus demselben Grund muss vermutet werden, dass auf sie nicht eingewirkt werden kann. Denn da offenbar verschiedenes Seiende in ihr entsteht, vergeht und sich abwechselt, muss sich jede Einwirkung auf das Vergängliche beziehen, nicht jedoch auf dasjenige, das diesem unaufhörlich zugrunde liegt.


XIV. Man muss sich die Dunkelheit als etwas Unendliches vorstellen und zwar sowohl als Einzelnes als auch als Ganzes, denn in ihr ist die nackte und absolute Essenz, und da keinerlei Form in ihr ist, hat sie auch keine bestimmte Quantität.


XXI. Es heißt, sie sei weder „was“ noch „wie" noch „wieviel", sondern alles potentiell, da sie, wie oben gesagt, kein Seiendes ist, sondern sich unterhalb des Seienden befindet als die Grundlage und Basis des Seienden. Sie ist nicht „was“, weil das Was-Sein Form oder Licht bedeutet. Sie ist weder Quantität noch Qualität, weil sie deren Subjekt ist wegen der substantiellen Form, der sie als erstes zugrunde liegt. Wenn also weder Quantität noch Qualität noch Was-Sein gesagt werden darf, und wir auch nicht Nicht-Dasein sagen können, könnten wir sie als Es-Sein bezeichnen.


XXV. Obgleich die Materie und das Licht zusammentreffen, vervollkommnen sie sich nicht gegenseitig, sondern aus ihnen wird irgendetwas vervollkommnet. Sie verändern einander nicht, denn das Licht bleibt unveränderlich in seiner Essenz, ebenso wie die Nacht unveränderlich in ihrer Essenz bleibt. Doch was aus ihnen entsteht, ist äußerst unbeständig und veränderlich. Wie es deshalb nicht möglich ist, zweimal in denselben Fluss zu steigen, ja es soll sogar nicht einmal ein einziges Mal möglich sein, ist es deshalb auch nicht möglich, dasselbe Zusammengesetzte zweimal zu benennen, denn sogar während es benannt wird, ist es schon wieder etwas anderes. Unterdessen jedoch gibt es nichts, das unveränderlicher wäre als die Nacht oder die Finsternis sowie das Licht.


Die Statue der Nacht


(Textausschnitt)

Die Alte heißt sie, schwarze Kleider trägt sie, schwarz umhüllt ist ihr Haupt, Flügel hat sie, schwarze Flügel hat sie, ins Unermessliche ausgebreitete Flügel hat sie, in einem zweispännigen Wagen fährt sie, von zwei schwarzen, geflügelten Pferden wird er gezogen.


Dass sie eine Statue hat, beweist, dass sie eine Göttin ist. Sie ist nämlich Gott ähnlich, denn sie ist eine Ursache, ohne selbst verursacht zu sein und hat die Anfangsgründe für vieles und alles außerhalb Gottes inne. Wo es möglich ist, das Sein von der Essenz zu trennen, kann die Nacht als Mutter und das Licht als Vater betrachtet werden.


II. Mutter der Götter und Menschen steht auf ihrer Inschrift, denn allerdings zeigt sich die sinnlich wahrnehmbare und die sinnlich nicht wahrnehmbare oder die materielle und immaterielle Dunkelheit als zweigeteilt. Denn auch die Materie ist zweigeteilt als sinnlich wahrnehmbare und sinnlich nicht wahrnehmbare Materie.


XI. Es heißt, sie komme aus der Unterwelt ans Licht hervor und kehre vom Licht in die Unterwelt zurück, da sie ja sowohl der Ursprung der Zeugung als auch der Vernichtung ist.


XV. Die Parzen werden als ihre Lenkerinnen dargestellt, da die Teilhabe an der Dunkelheit durch das Schicksal bewirkt wird, und die Teilhabe an der Notwendigkeit sich durch den Wechsel ausbreitet.


XXIX. Sie wird dargestellt, wie unendlich vieles aus ihrem Schoß hervorkommt, das sie mit demselben Schlund zerdrückt und vernichtet, weil sie auf mütterliche oder elterliche Weise ebenso erhält wie zerstört.


XXX. Sie wird gezeigt als mit dem Licht um den Vorrang und die Herrschaft streitend. Ihr Streit entsteht letztlich daraus, dass sie das Erste und Größte von allem ist sowie alles potentiell wie eine Mutter und Erzeugerin, das Licht jedoch wie ein Vater und Schöpfer. Deshalb wurden ihnen im Altertum die Namen Liber und Ceres, Sonne und Erde, beigegeben


Der Vater, der Geist oder die Fülle


(Textausschnitt)

Der Vater hat zwar keine Statue, sein Urbild ist jedoch das unendliche Licht.

I. Er ist eine unendliche Kugel. Dabei wird er nicht deshalb Kugel genannt, weil von der Außenseite zum Mittelpunkt die gleiche Entfernung wäre, sondern dies ist gemäß der Ähnlichkeit zu verstehen, denn er hat von jeder Grenze die gleiche Entfernung, weil es eine unendliche Entfernung ist. Er heißt unendliche Kugel, da er nicht einen einzigen, einfachen Mittelpunkt hat, so dass außer diesem Punkt kein Mittelpunkt angenommen werden könnte, sondern er ist eine Kugel, in der jeder Punkt, der genommen werden kann, der Mittelpunkt ist, so dass wir im unendlichen Raum sagen können, dass sowohl nichts als auch alles der Mittelpunkt ist.

XIV. Er ist, was ist, denn außer ihm ist nichts.


V. Wie er in sich selbst überall derselbe ist, so auch in anderem, so dass nichts außerhalb von ihm existiert.

XII. Er ist mehr im Inneren der Substanz der Dinge, im Inneren von allem und jedem einzelnen, als alles und jedes einzelne in sich selbst sein kann.


XVIII. Er hat keinen Namen, denn alle Namen werden gegeben, um zu unterscheiden, abzugrenzen und von anderem zu trennen. Doch in ihm gibt es keine Unterscheidung, keine Abgrenzung, und er ist von nichts verschieden, da er über jeder Unterscheidung, jedem Anderssein, jeder Verschiedenheit, Vielheit und Abgrenzbarkeit ist.


XXVI. Sein Wesen kann von einer endlichen Erkenntnisfähigkeit wie der unsrigen nur wie im Spiegel berührt werden. Deshalb können wir sein Antlitz nur in seinen Spuren und Wirkungen in der Materie betrachten.


XXX. Er reicht von einem Ende zum anderen, so dass er über allem ist, aber nicht ausgeschlossen, unter allem, aber nicht unterworfen, in allem, aber nicht eingeschlossen.


Das erste Bewusstsein


(Textausschnitt)

Wie auf die Leere der Mangel folgt, so folgt auf die Fülle die aktivste Wirksamkeit, nämlich das erste Bewusstsein, die erste Idee, die Quelle der Ideen. Denn auf die völlig losgelöste Einheit folgt der Ursprung des Alls, gleichsam als Dualität, so dass die Entstehung des Alls auf die Dualität als die Dreizahl folgt. Es hat keine Gestalt, denn es ist nichts einzelnes, da es alles wie sinnlich wahrnehmbar und deutlich wiedergibt. Wenn wir ihm doch irgendein Bild geben können, so kann es als Kreis aufgefasst werden, der um das unteilbare Zentrum widergespiegelt wird. Denn das Unteilbare selbst war die Fülle, die überall als Ganzes von allem losgelöst ist. Auch der Kreis ist als Einheit überall als Ganzes, aber er teilt sich allem mit. Im Altertum fassten die religiösen Lehrer jenes Zentrum als väterlichen Geist auf, der einen Kreis hervorbringt, während er sich selbst betrachtet und das erste Bewusstsein erzeugt, das sie seinen Sohn nennen. Durch diese vollkommene Empfängnis sendet er einen Strahl aus, während er sich am Bild seines Wesens erfreut. Diesen Strahl nennen sie die Liebe, die vom Vater, der sich selbst betrachtet, in den Sohn übergeht. Darin kann im Vater die Essenz der Essenzen betrachtet werden, im Sohn alle Schönheit und das Verlangen zu zeugen, im Strahl selbst das alles durchdringende und belebende Spirituelle.


V. Mit zwei Gesichtern fassten sie es auf. Denn während es den Vater wahrnimmt, nimmt es nicht so wahr, als ob es sich selbst irgendwie verlassen würde, sondern so, dass es dann gleichsam am meisten in sich selbst ist, ja sogar am meisten es selbst ist. Dies bedeutet, dass auch das Vergangene für es nicht Vergangenheit ist, das Zukünftige ihm nicht Zukunft ist, sondern dass ihm die ganze Ewigkeit als eine einzige ganz, zugleich und vollkommen gegenwärtig ist.


VI. Man stellt ihn sich als eine Kugel vor, die ganz und völlig Auge ist, da es ja, wie Orpheus sagt, überall Auge ist, überall sieht, ebenso wie es überall handelt, weil alles Sein das Werk des Bewusstseins ist, und alles Seiende deshalb existiert. weil es bewusst geworden ist.


VIII. Es ist das Licht, das alles Licht vervielfältigt. Denn was auch immer wahrnimmt, nimmt durch dieses Bewusstsein wahr, wie alles Leuchtende durch das Licht leuchtet, und alles Leuchtende im Licht ist. So ist sich jedes Bewusstsein in ihm bewusst, und aus diesem Grund ist es das wahre Licht des Universums.


XIII. Die Analogie des universalen Bewusstseins zu unserem Bewusstsein oder zu anderem, das an ihm teilhat, ist zu verstehen wie die Analogie zwischen dem Sehen in den Augen zum Sehen in der Sonne. Denn in den Augen befindet sich das Prinzip des Sehens, das dem als passiv bezeichneten Bewusstsein entspricht. Die Sonne aber entspricht dem als aktiv bezeichneten Bewusstsein. Wie jedoch für die unendlich vielen Augen eine einzige Sonne genügt, um wirklich sehen zu können, so genügt für die unendlich vielen bewussten Wesen ein einziges aktives Bewusstsein. Deshalb wird durch das Sinnbild des zur Sonne emporblickenden Auges das Wirken des aktiven Bewusstseins dargestellt.


XXIX. Diese geistige Kraft ist allem eingepflanzt. Deshalb gibt es in allem ein völlig ausreichendes und wirksames Erkenntnisprinzip, und nichts kann sich vor seinem Licht verbergen. Deshalb hat jedoch nicht alles ein Bewusstsein, sondern manches hat Denkfähigkeit an Stelle des Bewusstseins, manches Vorstellungskraft an Stelle der Denkfähigkeit, manches hat eine noch unklarere Wahrnehmungsfähigkeit und in manchem ist sogar diese nur latent vorhanden. Doch auch sie hätten am Leuchten teil, wenn sie wie ein durchsichtiger Körper abgetrennt wären. So ist die Sonne in der ganzen Hemisphäre gleichermaßen gegenwärtig, und das Licht fließt in alles gleichermaßen ein und bleibt allem eingeprägt. Doch wird es nicht von allem auf gleiche Weise reflektiert und leuchtet nicht in allem gleich. So erkannten manche, dass sich das Bewusstsein nicht nur bis zu den Tieren und Pflanzen ausbreitet, sondern auch bis zu den Steinen und noch Unvollkommenerem, das sich als Körper erweist. Doch in manchem ist es verborgen, in manchem aber offen, in einem zwar auf diese Weise, in anderem aber auf andere Weise, hier zwar mehr, dort aber weniger.


Das Leuchten oder das Spirituelle des Universums


(Textausschnitt)

Sogleich nach der Einsetzung des zweiten Universums empfängt das erste Bewusstsein die Idee seiner selbst und in jenem einfachen Anblick die Ideen der ganzen Welt. Durch deren Anblick erfreut und wie durch eine gewisse Wärme erregt, bringt es das Spirituelle hervor, das aus ihm hervorkommt wie der Glanz aus dem Licht. Dieser Glanz erfüllt wahrlich alles, in alles strömt er als Ganzes ein, und wie das Bewusstsein alles in allem versteht, so will es alles in allem ergreifen und bewirkt alles in allem. Deshalb heißt es die Seele der Welt oder das Spirituelle des Universums.


VII. Was immer es macht, macht es aus Liebe und mit Liebe. Denn da es sich am Anblick des zu Bewirkenden erfreut, schreitet es in dessen Entwicklung voran.

VIII. Sein Handeln hängt nicht von der Zeit ab, vom Zufall oder vom Glück, sondern die Zeit hängt von ihm ab und auf gewisse Weise all dasjenige, das uns als vom Zufall oder vom Glück abhängig zu sein scheint.


XVI. Es ist die geteilte und ungeteilte Substanz in allem. So erkennen wir auch die Seele in unserem Körper in ihrer Essenz zwar als ungeteilt und überall als Ganzes, in ihrem Handeln und ihrem Wirken aber ist sie auf die eine Weise in einem Teil und auf die andere in einem anderem. Deshalb ist das Spirituelle überall dasselbe, aber es bewirkt nicht in allem dasselbe.

XVII. Während wir sagen, dass die Seele des Universums gemäß ihrer Substanz unteilbar ist, räumen wir doch ein, dass sie leicht vervielfacht werden kann. Wie zum Beispiel auch eine einzige Stimme an unzähligen Orten zwar ungeteilt gehört wird, aber entsprechend den zuhörenden Wesen und den Orten der Luft, in denen sie widerhallt, vervielfacht werden kann, während sie doch überall als Ganzes, nirgends aber geteilt gehört wird.


XXV. Es ist als erster und universaler Gestalter von allem aufzufassen, ja sogar als die Form der Formen, das jedem einzelnen Seienden die Realität zuteilt, sie ordnet und vollendet.


XXVII. Alles, was es bewirkt, richtet es nach sich selbst aus und sich selbst nach dem höchsten Geist und dem Bewusstsein. Deshalb zeigt sich sein Wirken in allem gleichsam als Ein- und Ausatmen, und wenn es alles nach sich ausrichtet, ist es wie ein Ziehen und Zusammenfügen.


XX.Während die Seele der Welt oder das Spirituelle des Universums auf dieselbe Weise, durch dieselbe Kraft und dieselbe Ganzheit ihrer Essenz in allem und überall ist, zeigt sie sich doch gemäß der Ordnung des Universums und seiner Teile bald primär, bald sekundär, hier zwar als Intelligenz, Wahrnehmung und Leben, dort aber nur als Wahrnehmung und Leben, dort nur als Leben, dort nur als Zusammengesetztes, dort als eine unvollkommene Mischung, dort als der Ursprung einer einfachen Vermischung. Auch darf es nicht - wie Plato sagte - als ein Wunder betrachtet werden, dass das Universum selbst als belebt aufgefasst werden kann, da es Vater und Erzeuger der Lebewesen ist, und sogar aus seinen Ausscheidungen noch vollkommene Lebewesen gezeugt werden, die sein Aussehen und seine Form wiedergeben. Deshalb ist es nicht nur ein Lebewesen, sondern das erste Lebewesen, der Eingeborene des ersten Bewusstseins und der Vater alles Seienden.


Das dreifache Minimum und das Maß

(De triplici minimo et mensura)

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1.Buch, II. Kapitel (Textausschnitt)

Das MINIMUM ist die Substanz des Seins,
und am Ende wirst du erkennen,
dass es dasselbe ist, wie das alles überragende Große.
Hier ist die Monade und dort das Atom,
und wenn du die Materie der Welt betrachtest,
so ist das Spirituelle, das auf keiner Masse beruht,
das alles durch seine Zeichen bildet und das hier
und überall im Ganzen verströmt, ihre ganze Essenz.
Alles entsteht aus dem Minimum,
und würde es nicht allem zugrunde liegen,
gäbe es von allem anderen nicht das Geringste.
Denn ohne Monade gibt es keine Zahl,
sie bildet die Arten und bestimmt jede Gattung.
Deshalb ist sie in allem das erste Fundament,
so dass Gott, die alles gebärende Natur und die Kunst
tief im Innern aus ihr entfalten,
was über jeder Gattung weiter existiert,
und sich in jeder Gattung befindet.
Deshalb heißt es, die Monade bleibe in allem bestehen
und durchwandere über allem, was Endliches umschließt,
unaufhörlich die unendliche Weite.
Alles Zusammengesetzte bewirkt sie, verbindet sie,
macht sie vollständig, pflanzt sie fort,
und alles Einfache, das unermessliche Zeiten währt,
wird aus ihr gebildet.
Denn jedes Größte entsteht aus dem Kleinsten,

beruht auf dem Kleinsten, bezieht sich auf das Kleinste
und existiert durch das Kleinste.
Mutter Natur und die ihr folgende Ordnung der Kunst
wirken aus ihm das Zusammengesetzte
und lösen es in der Betrachtung wieder in das Kleinste auf.
Aus wenigen Buchstaben und Akzenten
wird eine unendliche Zahl von Wörtern gebildet,
deren erster Teil nur ein Punkt ist,
in dem sich deshalb ihre ganze Substanz befindet.
Ebenso wird in die einfache erste Substanz der Welt,
in der keine Zwietracht ist,
und die der kleinste Körper für die Körper ist,
am Ende alles wieder aufgelöst.
Denn wie die Monade jede Zahl ist,
so ist für die Gestalten am Ende alles dieses Eine,
und wie durch die Monade die Zahlen einander folgen,
leuchtet es aus dem ganzen Körper hervor.
Deshalb ist die Substanz der Welt unveränderlich
und völlig unsterblich,
keine Kraft bringt sie hervor, nichts zerstört sie,
verletzt sie, schmälert sie oder vermehrt sie.
Doch das Erzeugte kommt aus ihr hervor
und löst sich in ihr wieder auf,
was wächst, vermehrt sich aus ihr,
das Geschwächte versinkt in ihr,
und was entsteht, erhebt sich aus ihr zu einem neuen Ziel.


Das Siegel der Siegel

(Siggillus Sigillorum)

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Geeignet um alle Veranlagungen des Geistes vorzubereiten und die Gesinnung zu vervollkommnen.


(Textausschnitt)

26. Hüte dich sodann davor zu meinen, die Erinnerung sei - wie behauptet wird - an irgendeinen Körperteil gebunden, und die Kräfte der Seele darauf zu konzentrieren, als ob du sie durch einen Blick nach innen wecken könntest. Dies versuchen nämlich jene, die mit geschlossenen Augen den Geist im Kopf herbeirufen wollen und meinen, sich wieder erinnern und Vergessenes zurückrufen zu können, oder auch glauben, vermischte Eindrücke trennen und verwirrte Eindrücke abschütteln zu können. Nicht bei diesem Tun selbst nämlich verbirgt sich der Geist, sondern anschließend wird er für seine Tätigkeiten mehr und mehr geschwächt. Denn je mehr sie beharren und drängen, desto weniger können sie sich erinnern, wobei ich die verdächtige und ernsthaft zu verdammende Betrachtung anderer seelischer Empfindungen nicht weiter erwähnen will. Nur mit recht erbärmlicher Miene wenden sie sich auf diese Weise ihrem Werk zu. Denn obwohl sie sich schon den Hinterkopf durchbohren und mit den Fingern an der Gehirnschale kratzen, müssen sie doch stets aufs Neue erfahren, dass ihre frühere Hoffnung, sich zu erinnern, zugrunde gerichtet wurde.


Die Magie/ Die verschiedenen Arten des Bannens und Bezauberns

(De Magia/ De vinculis in genere)

Buchtitel: Die Magie
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(Textausschnitt)

Sodann kann eine Ursache geglaubt und betrachtet werden, durch die es möglich ist, nicht nur auf das für unsere Sinne Nahe, sondern auch auf das Ferne einzuwirken, und zwar dem Wesen nach, wie oben gesagt, durch Teilhabe an der universalen Spiritualität, die als Ganzes im Ganzen und in jedem beliebigen Teil der Welt ist. Wie verschiedene Lichter zugleich im selben Raum zusammenfließen, ist es daher möglich und wirklich, dass eine endliche oder auch unendliche Anzahl verschiedener Seelen im Universum vereint werden. Bei den Körpern dagegen ist dies nicht möglich, denn durch die sie umgebende eigene Oberfläche wird ihre Begrenzung definiert. Trotzdem existieren sie als verschiedene und zahllose Teile an verschiedenen und zahllosen Orten, wobei ich Ort als Raum verstehe. Folglich kann keinesfalls ein Körper in einem Körper wirken, noch die Materie in der Materie, noch können die Teile einer Materie oder eines Körpers in den Teilen anderer Körper eine Wirkung ausüben, denn alle Wirkung kommt von der Beschaffenheit, der Form, eben der Seele. Diese verändert zuerst die Disposition, woraufhin die Disposition die Körper verändert. So wirkt der Körper auf ferne und nahe Körper sowie auf seine eigenen Teile durch eine gewisse Harmonisierung, Verkettung und Vereinigung, die durch die Form entsteht. Denn alle Körper werden von der Seele und der Spiritualität regiert, welche die Teile mit den Teilen verbindet. Wenn aber eine Seele auf eine andere Seele einwirkt, die ihr überall und von allen Seiten nahe ist, so muss sie auch auf den Körper einwirken, wo auch immer er ist, denn er dient jener Seele und ist ihr untertan. Wer also die unauflösliche Kontinuität der Seele kennt und ihre notwendige Verbindung mit dem Körper, wird eine bedeutende Grundlage besitzen, um Werke zu vollbringen oder über das wahre Wesen der Natur nachzudenken.